Herr Stoll, soeben erschien Ihr Buch „Die Partisanen der NATO", in dem Sie gemeinsam mit Erich Schmidt-Eenboom den sogenannten Stay-Behind-Truppen der NATO auf dem Gebiet der Bundesrepublik nachspüren, deren Existenz vor einigen Jahren der Schweizer Historiker Daniele Ganser aufgedeckt hat. Was sind Stay-Behind-Truppen und wieso gab es diese in der BRD?
Nach 1945 und bis in die 1970er Jahre gingen westliche Militärs davon aus, dass im Kriegsfall weite Teile der Bundesrepublik innerhalb weniger Tage von den Angreifern überrollt würden. Stay-Behind-Netzwerke sollten nach einem Angriff des Warschauer Paktes im besetzten Deutschland, also im Rücken der sowjetischen Front, tätig werden – als Saboteure, Schleuser und Nachrichtenübermittler.
Diese „Partisanen", wie Sie sie nennen, waren also dazu da, um im Falle eines sowjetischen Angriffs Widerstand zu leisten? Dazu und zu nichts sonst?
Interessant ist an frühen Stay-Behind-Netzwerken, die die CIA in Westdeutschland aufbaute, dass sie auch im Inneren tätig werden sollten. Diese Partisanen waren oft frühere SS-Männer, die von fanatischem Antikommunismus geprägt waren. Sie hatten nicht nur das Feindbild Sowjetunion, sondern misstrauten auch allen Demokraten, die nicht bedingungslos hinter den USA standen.
Das heißt, diese Truppen sollten im Zweifelsfall auch gegen „linke Regierungen" aktiv werden? Womit und wodurch denn genau?
Reinhard Gehlen teilte noch 1956 als Chef der US-geführten „Org" und wenige Tage, bevor er BND-Präsident wurde, den Amerikanern mit, dass er Stay-Behind-Truppen im Innern gegen deutsche Politiker einsetzen würde, falls diese Westdeutschland auf Neutralitätskurs bringen würden.
Und eine frühe CIA-geführte Stay-Behind-Truppe, der Bund Deutscher Jugend – Technischer Dienst, hatte Anfang der 1950er Jahre ganz konkrete Pläne ausgearbeitet, wie man linke Demonstrationen bekämpfen wollte. Man würde einfach in die Menge schießen, frei nach dem Motto: „Frühes Blut spart viel Blut". Die Truppe war also zu einem brutalen Vorgehen gegen innenpolitische Gegner bereit und wollte KPD- und SPD-Politiker auch gewaltsam aus dem Verkehr ziehen – durch Festnahme oder Mord.
Aber, entschuldigen Sie, sind derlei Aktionen nicht vielmehr als Terrorismus denn als Partisanentum anzusehen?
Ganz klar: Ja. Es kam aber nicht zu solchen Gewaltakten, weil die Bundesrepublik im Sinne der US-Interessen stabil blieb. In Griechenland und der Türkei unterstützten Stay-Behind-Truppen hingegen Militärputsche, und in Italien war die dortige Stay-Behind-Organisation „Gladio" in Bombenattentate gegen Polizisten und Bürger involviert. Die Bereitschaft, Stay Behind gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, um eine kommunistische Regierungsbeteiligung zu verhindern, war da.
Wer baute diese Organisationen denn auf und wem unterstanden sie? Die Regierenden waren offenbar ja nur zu geringen Teilen oder gar nicht mit derlei Strukturen vertraut?
Die Regierung Adenauer war nicht souverän und musste die US-Geheimdienste in Deutschland gewähren lassen. Adenauer wusste sicher über Stay Behind Bescheid, denn er verhinderte ja die Strafverfolgung der Terroristen des BDJ-TD, als diese Gruppe aufgeflogen war. Die von der CIA aufgebauten Partisanen-Netze wurden 1956 dann vom BND übernommen, wodurch der Auslandsgeheimdienst rechtswidrig im Inland tätig wurde.